
Beim Stichwort Innovation denken die meisten Menschen vermutlich an die Erfindung des PC oder an ihr neues Smartphone, weniger an Wasser.
Dabei ist es undenkbar, die demnächst acht Milliarden Menschen auf der Erde ausreichend zu ernähren und mit sauberem Wasser zu versorgen, ohne innovative Technologien im Bereich Wasser zu entwickeln und anzuwenden. Weniger spektakulär aber vielleicht noch drängender ist die fälschungssichere Rückverfolgung von Nahrungsmittel-Lieferketten und neue Wasseraufbereitungstechnologien mithilfe von Mikroalgen und Nanomaterialien.

Wasseraufbereitung: Mikroalgen, die Power-Winzlinge
Es gibt die blutrote Schneealge, die blaugrüne Felskugel, die Armleuchteralge und unzählige andere Algen; die Anzahl ihrer Arten liegt Schätzungen zufolge gut über 100.000 oder auch zehnmal mehr. Es gibt die Algenblüte, die gilt mitunter als schön und die Algenplage, die im Grunde genommen dasselbe aber nicht mehr schön ist, weil sie Probleme mit sich bringt. Manche Algen kann man essen, wie Wasabi, Kelp und Nori.
Es gibt Makro- und Mikroalgen, und um letztere geht es hier, denn in den Winzlingen steckt ungeheures ökonomisches Potenzial. Abwasser zu reinigen ist nur eine ihrer Fähigkeiten, und das weckt das Interesse der Industrie. Zumal Algen genügsame Wesen sind, die lediglich Licht, Wasser, Kohlendioxid und Nährstoffe zum Wachsen brauchen. Werden sie in Industrieabwasser mit seiner Fülle an Nährstoffen eingebracht, setzen sie sich praktisch an den gedeckten Tisch und bedienen sich an Stickstoff und Phosphat. Das Abwasser ist damit zwar noch kein Trinkwasser, aber immerhin wesentlich weniger belastet.
Damit nicht genug: Bei der Reinigung wandeln sie das Kohlendioxid aus der Luft und dem Abwasser mithilfe von Licht in Sauerstoff um, und zwar so reichlich, dass Forscher des Max-Planck-Instituts Algen als die zweite grüne Lunge der Erde (neben den Regenwäldern) bezeichnen. Selbst wenn die Powerwesen nach ihrem arbeitsreichen Leben tot auf den Meeresgrund sinken, leisten sie noch gute Dienste, indem sie das dort natürlich vorkommende und vom Menschen eingelagerte Klimagas C02 binden.
Wow. Können die wirkmächtigen Einzeller womöglich das Klimaproblem der Menschheit lösen? Natürlich nicht, das wäre ein paar Grad zu hoch gegriffen. Auf jeden Fall aber faszinieren sie Wissenschaftler mehrerer Disziplinen und wecken Begehrlichkeiten innovationsfreudiger Unternehmen, die grosse Hoffnungen in die anspruchsarmen Multitasker setzen.
Projekte und Anwendungen rund um Mikroalgen
SaltGae
Wissenschaftler des EU-Projekts SaltGae arbeiten daran, Abwasser von einem Kostenfaktor in ein wertvolles Produkt zu verwandeln. Mikroalgen sollen dabei helfen, das von der Lebensmittel- und Getränkeindustrie produzierte salzhaltige Abwasser aufzubereiten.
TH Mittelhessen
,Algenbiotechnologie in Abwasserreinigungsanlagen – Phosphorrecycling und Energiegewinnung“ lautet der etwas sperrige Titel eines Projekts der TH Mittelhessen. Die Forscher haben untersucht, wie man Algen zum Gewässerschutz und zur Rückgewinnung von Phosphor einsetzen kann. Während des Vorhabens wurden in zwei mittelhessischen Klärwerken Pilotanlagen installiert. Ziel des 2019 beendeten Projekts war es, die Einleitung von Nährstoffen in die Fulda zu verringern, die Konzentrationen von Phosphor und Stickstoff im Ablaufwasser der Kläranlage zu senken und die entstehende Biomasse aus Algen für die Biogasgewinnung zu nutzen. Nachdem das Projektziel nach Angaben eines Sprechers „absolut erreicht worden“ sei, will man testen, ob es Erfolg versprechend und wirtschaftlich ist, eine solche Algenanlage zur Abwasserreinigung in grossem Massstab zu bauen.

Papiertechnischen Stiftung PTS
Ziel des transnationalen Projekts ALBAQUE (Algen, Bakterien, Qualität) war die Entwicklung eines Verfahrens zur Reinigung von Papierfabrikabwässern mithilfe von Algen genauer gesagt Algen-Bakterien-Biomasse und die Bewertung der Überschuss-Biomasse als Rohstoff. Das ALBA-Verfahren für die Reinigung von Abwässern der Papierfabrikation hat sich bewährt. Eine Belüftung, die etwa die Hälfte der Energiekosten in Abwasserreinigungsanlagen ausmacht, ist nicht mehr erforderlich. Es wird weniger Überschussschlamm produziert, somit fallen weniger Kosten für die Schlammentsorgung an. Mit der Umsetzung des ALBA-Verfahrens im Pilotmassstab ist der erste wesentliche Schritt hin zur Implementierung in grosstechnischen Abwasserreinigungsanlagen der Industrie getan. Koordiniert wurde das 2019 abgeschlossene Projekt von der Papiertechnischen Stiftung PTS.
Jacobs Universität
Mikro hilft Makro, so könnte das Motto einer chinesisch-deutschen Forschungskooperation lauten, die seit März 2019 besteht. Es geht um die Makroalge Laminaria, die in China vielfältig genutzt wird, vor allem als Lebensmittel. Allerdings entsteht bei der industriellen Verarbeitung von Laminaria Abwasser mit einem rund 20-prozentigem Salzgehalt (zum Vergleich: Das Mittelmeer hat einen durchschnittlichen Salzgehalt von 3,8 Prozent.). Ein Team aus Experten der Jacobs University Bremen und der Shandong Haizhibao Ocean Science and Technology Co Ltd will das Abwasser mithilfe von Mikroalgen säubern.
Wasser-Membrantechnologie: die sanfte, undurchdringbare Grenzkontrolle
Membrantechnologie ist eine weitere Form der Wasseraufbereitung, der sich Wissenschaft und Anwender in letzter Zeit verstärkt widmen. Ob Trink oder Betriebswasser, die existenzielle Bedeutung des Themas weltweit braucht wohl nicht näher erläutert zu werden. Je ausgefeilter das Reinigungsverfahren, desto sauberer und wertvoller das Wasser, und je winziger die im Abwasser befindlichen Stoffe, desto feinmaschiger müssen die Methoden sein, um sie da wieder rauszuholen.
Musste man sich vor gut 200 Jahren mit schlichten Sand-filtern begnügen, werden mittlerweile Cellulose-Nanomaterialien eingesetzt, um zunehmend toxische Spurenstoffe und Arzneimittelrückstände zu entfernen, energieeffizienter und damit auch kostengünstiger zu wirtschaften. Einer der Vorteile der Nanocellulose ist, dass sie aus biologischen Ausgangsstoffen hergestellt wird und dennoch echtes Powerpotenzial hat, das man eher von chemisch-synthetischen Hightech-Materialien erwarten würde: So haben Nanofasern eine hohe spezifische Oberfläche (das ist die innere Oberfläche von porösen oder körnigen Feststoffen) und Porosität und können flexibel an verschiedene Anwendungen angepasst werden. Kommerziell werden sie bereits für die Luftfiltration eingesetzt, die Anwendung für die Abwasserbehandlung wird noch erforscht.
Nanofasermembranen zeichnen sich durch eine hohe Durchflussrate aus und können über elektrostatische Effekte Verunreinigungen, Bakterien, Viren und Proteine entfernen. Genau das also, was man für die anspruchsvolle Wasseraufbereitung benötigt.
Nanocellulosefibrillen eignen sich aufgrund ihrer Eigenschaften – zum Beispiel Festigkeiten und Steifigkeiten, die sogar jene von Glasfasern übertreffen -, gut dazu, neue High-T ech-Materialien für effiziente Wasserbehandlungsverfahren zu entwickeln, wie Filtermembranen, Nanokatalysatoren, funktionalisierte Oberflächen. Das heisst: Das Wasser wird gründlicher gereinigt bei langfristig sinkenden Kosten.
Deshalb beschäftigen sich seit einigen Jahren mehrere Forschungsprojekte mit der innovativen Wasseraufbereitungstechnologie:
Das von Merck geleitete Projekt NanoMembrane hat nanoporöse keramische Membranen entwickelt zur nachhaltigen Wasser- und Lösungsmitteleinsparung. Pilotversuche in der Chemie, Metall verarbeitenden Industrie, Textilveredelung, Papier- und Zellstoffherstellung bestätigten, dass gelöste Moleküle, Farbstoffe, Tenside und Salze die Nanomembran tatsächlich nicht passieren konnte.

Beim Forschungsprojekt NanoPurification unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) sollte das Hybridsystem NanoPur entwickelt werden, das partikuläre Verunreinigungen und Mikroorganismen mechanisch zurückhalten und zusätzlich chemische und biologische Spurenstoffe abbauen kann. Im Ergebnis zeigte sich, dass bestimmte Spurenstoffe gut abgebaut werden können. Als breitbandwirksames System ist NanoPur allerdings nicht geeignet, da andere Mikroschadstoffe nicht oder nur gering entfernt wurden.
Das Marktpotenzial moderner Wasseraufbereitungstechnik ist hoch, da der Bedarf an sauberem Wasser weltweit enorm steigt. Der Trend geht dabei in Richtung der Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser, was insbesondere im Hinblick auf die Membrankläranlagen interessant ist. Anwender sind dabei sowohl Industrie als auch Kommunen und private Einrichtungen. Der zukünftige Bedarf an Anlagen zur Grauwasseraufbereitung (gering verschmutztes Abwasser, das zu Betriebswasser aufbereitet werden kann) geht in die Millionen. Ein noch weitaus grösserer Markt wird sich in den Entwicklungsländern bieten.
Auswahl von Unternehmen im Geschäftsbereich Wasseraufbereitung
Veolia Environnement S.A.
Veolia Environnement S.A. ist eine Unternehmensgruppe, die weltweit Umweltdienstleistungen anbietet, u. a. im Segment Wasser- und Abwasser. Der Bereich ist auf die ausgelagerte Verwaltung von Wasser- und Abwasserdienstleistungen für kommunale Einrichtungen und industrielle Kunden spezialisiert.
BWT AG (Best Water Technology)
Die BWT AG (Best Water Technology) mit Sitz in Mondsee in Österreich produziert Spezialchemie und Systeme zur Wasseraufbereitung. Das Produktportfolio umfasst das gesamte Spektrum der modernen Aufbereitungsmethoden, einschliesslich Mikro-, Ultra und Nanofiltration. Das Unternehmen wurde mit mehreren Innovationspreisen ausgezeichnet.
Katadyn
Katadyn ist der Schweizer Spezialist und nach eigenen Angaben Weltmarktführer für mobile, individuelle Wasseraufbereitungssysteme und -produkte für den Outdoor- und Marinebereich sowie für Industrie und Kommunen.

Big Data machts möglich
Blockchain zur Prüfung von Lieferketten, Wasseraufbereitung durch Mikroalgen, Wassermembrantechnologie – das sind nur vier der vielen innovativen Forschungscluster, die aktuell im Bereich Wasser agieren. Die Liste der gesamten Cluster wurden mittels Big-Data-Analyse des Systems NETCULATOR erstellt.
Hier können sie den vollständigen Bericht herunterladen: Innovation Insight – Water